Die Informationspflicht der Schule gegenüber den Eltern
Aus Orientierung im Schulrecht von Dr. Wolfgang Bott
Schule und Elternhaus üben gegenüber den Schülern jeweils einen Erziehungsauftrag aus, der nur im Zusammenspiel beider sinnvoll wahrgenommen werden kann. Hierzu gehört vor allem die Erfüllung wechselseitiger Informationspflichten. Ein Überblick über die Rechtslage.
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Die Informationspflicht gilt zunächst für Schullaufbahnentscheidungen, bei denen das Zusammenwirken des schulisch-staatlichen Erziehungsrechts aus Art. 7 Abs. 1 GG und des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen ist. Hierzu ist von einem zeitlichen Vorrang des elterlichen Erziehungsrechtes auszugehen. Dementsprechend haben zunächst die Erziehungsberechtigten ihre Festlegung bezüglich der weiteren Beschulung ihres Kindes zu treffen, die Schule hat insoweit lediglich ein Beratungsrecht und eine Beratungspflicht. Erst danach kann – soweit im jeweiligen Landesschulgesetz vorgesehen – ggf. die Schule durch ein Letztentscheidungsrecht bei Nichtübereinstimmung von Entscheidung der Eltern und schulischer Einschätzung tätig werden.
Bis wann gilt die Informationspflicht?
Neben der Schullaufbahnentscheidung ist das elterliche Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 2 GG auch in anderen Bereichen schulischen Handelns zu beachten. Dies gilt vor allem für den Anspruch der Eltern, über alle wesentlichen Dinge, die die Schule von oder über den ihr anvertrauten Schüler erfährt, durch die Schule informiert zu werden. Hierzu zählt traditionell die Verpflichtung der Schule, die Eltern über drohendes schulisches Versagen des Kindes unter Leistungsgesichtspunkten rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, um diesen die Möglichkeit zu geben, aus ihrer Sicht erforderliche (Gegen-)Maßnahmen zu ergreifen. Ausdruck dieser Informationspflicht ist die rechtzeitige – in der Regel im Halbjahreszeugnis erfolgende – Warnung vor einer drohenden Nichtversetzung in Form der sog. Blauen Briefe. Hierzu gehört auch die Verpflichtung der Schule, die Eltern eines Schülers über wegen seines Fehlverhaltens erforderlich gewordene pädagogische Maßnahmen zu informieren.
Diese Informationspflicht der Schule gegenüber den Eltern eines Schülers gilt aber nur bis zum Erreichen der Volljährigkeitsgrenze mit Vollendung des 18. Lebensjahres; danach erlischt der elterliche Informationsanspruch. Sofern in einzelnen Schulgesetzen vorgesehen ist, auch den Eltern volljähriger Schüler Informationen über wesentliche Vorgänge zu geben, sofern diese nicht generell oder im Einzelfall widersprechen, sind solche Regelungen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der volljährigen Schüler nach Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar, zumal ein elterliches Erziehungsrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG nach Eintritt der Volljährigkeit nicht (mehr) besteht. Insoweit wäre lediglich durch eine bundesgesetzliche Neuregelung der Bestimmungen über die Volljährigkeit eine Änderung möglich.
Denkbar wäre landesrechtlich allenfalls eine Widerrufsregelung dergestalt, dass die volljährig werdenden Schüler über ihr Widerrufsrecht und die Folge eines Unterlassens eines Widerrufs bei Eintritt der Volljährigkeit im Einzelnen gegen Unterschrift informiert werden. Besser wäre jedoch eine positive Erklärung dieser Schülergruppe, mit der sie die Schule zur Weitergabe der Informationen auch nach Eintritt der Volljährigkeit ermächtigt. Eine solche positive Regelung in Form einer Zustimmungserklärung hätte zudem den pädagogischen Vorteil, dass sie von der Schule im Unterricht angemessen vorbereitet und dann inhaltlich von den Schülern getragen werden könnte. Eine solche Regelung ließe sich bereits durch freiwillige Vereinbarungen innerhalb der Einzelschule erreichen, ohne dass es einer gesetzlichen Regelung bedürfte.Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den Schulen auch dann eine Informationsmöglichkeit gegenüber den Eltern volljähriger Schüler offensteht, wenn die bestehende Rechtslage nicht geändert wird. Denn die Schule ist jeweils verpflichtet, den unterhaltsverpflichteten Eltern Bescheinigungen über den Schülerstatus ihrer volljährigen Kinder (z.B. zur Vorlage beim Finanzamt oder der Kindergeldstelle) auszustellen. Insoweit ist die Schule auch berechtigt, den Wegfall des Schülerstatus (z.B. nach einer Verweisung von der Schule oder nach eigener Abmeldung des volljährigen Schülers) durch Erteilung einer Negativbescheinigung den Eltern mitzuteilen.
Muss der Schule bekannter Drogenkonsum den Eltern gemeldet werden?
Wenn schulische Informationspflicht und elterlicher Informationsanspruch im Rahmen der vorgenannten Bereiche schulischen Handelns als selbstverständlich angesehen werden, muss dies für existentiell bedeutsame Fälle erst recht gelten.
So ist in Fällen, in denen ein Schüler sich einem Lehrer bezüglich seines Drogenkonsums im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes anvertraut, regelmäßig von einer Informationspflicht der Schule gegenüber den Erziehungsberechtigten auszugehen. Dies gilt selbst dann, wenn der Schüler im Einzelfall ausdrücklich wünschen sollte, dass seine Eltern von der Schule nicht informiert werden sollen. Denn spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bremer Schulverwaltungsgesetz vom 9.2.1982, mit dem das dort eingeführte Schweigerecht von „Schulberatern" auf Wunsch minderjähriger Schüler auch gegenüber deren Eltern als verfassungswidrig aufgehoben worden war, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Eltern eines minderjährigen Kindes einen umfassenden Informationsanspruch bezüglich aller wesentlichen Dinge besitzen, die die Schule über ihr Kind erfährt, und dass die Schule diesem Anspruch durch eine umfassende Informationspflicht zu entsprechen hat. Denn nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf die Schule die ihr zugänglichen Informationen über ihr anvertraute Schüler gegenüber deren Eltern nur dann zurückhalten, wenn konkret begründbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Weitergabe der Information zu schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Schäden des Kindes führen wird. Mit anderen Worten: Die Informationspflicht stellt das regelmäßige Verhalten der Schule, die Möglichkeit der Informationszurückhaltung die Ausnahme dar.
Zur Sicherstellung des gemeinsamen Erziehungsauftrags von Schule und Eltern ist aber auch seitens der Eltern sicherzustellen, dass der Schule die zur Betreuung des Kindes erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Hierzu gehört neben der Mitteilung der notwendigen bei der Schüleraufnahme zu erfassenden Kontaktdaten die Mitteilung über bekannte Auffälligkeiten und Erkrankungen, auf die die Schule nur dann Rücksicht nehmen kann, wenn sie ihr bekannt sind. Hierzu gehört auch, dass die Eltern ihren Mitwirkungspflichten bei der Erkrankung ihrer Kinder durch rechtzeitige Abgabe der erforderlichen Entschuldigungen und Überwachung der Einhaltung der Schulpflicht im erforderlichen Umfang nachkommen.
Wann müssen beide Elternteile informiert werden?
Die Erziehungsberechtigten sind nicht nur als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder gemäß § 1370 BGB zur Geltendmachung der Rechte ihrer Kinder gegenüber der Schule befugt, sondern auch zur Wahrung ihrer eigenen Rechte. Dies hat die praktische Folge, dass schulische Entscheidungen, die nicht nur die von den Eltern vertretungshalber wahrzunehmenden Rechte des Kindes betreffen, sondern auch eigene Rechte der Eltern des Kindes, beiden Elternteilen gegenüber bekanntgegeben werden müssen, um beiden gegenüber wirksam werden zu können. Zwar ist für die Wahrnehmung des gesetzlichen Vertretungsrechts die Bekanntgabe an einen Elternteil ausreichend, während dies für die Wahrnehmung des eigenen Erziehungsrechts nicht ohne weiteres genügt. Soweit allerdings beide Eltern eine gemeinsame Wohnung bewohnen, wird in der Praxis ein Bescheid, der an beide Elternteile gemeinsam adressiert ist, ausreichen. Bei getrennt lebenden, aber gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, wovon nach dem seit 1998 geänderten Familienrecht auch nach einer Scheidung auszugehen ist, ist jedoch eine Zustellung an beide Elternteile erforderlich. Nach dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.8.1998 ist die bisherige Regelfolge der Trennung der Eltern, das Sorgerecht einem Elternteil zu übertragen, aufgegeben und im Regelfall durch das Fortbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1687 BGB ersetzt worden.
Mit dieser Regelung soll versucht werden, die rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Kindes an beide Elternteile auch nach deren Trennung aufrecht zu erhalten. Da jedoch die Trennung der Eltern regelmäßig immer noch mit der faktischen Zuordnung des Kindes zu einem Elternteil und damit mit der Trennung von dem anderen Elternteil verbunden ist, stellt die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Sorgerechts eine Rechtskonstruktion dar, die erhebliche praktische Probleme zur Folge haben kann. Deshalb unterscheidet der Gesetzgeber in § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Ausübung dieses Sorgerechtes auch zwei unterschiedliche Bereiche.
Zum einen nennt er die „Angelegenheiten des täglichen Lebens“, die allein von dem Elternteil wahrgenommen und verbindlich geregelt werden dürfen, bei dem sich das Kind regelmäßig aufhält. Hierzu sind für den Bereich der Zusammenarbeit mit der Schule alle die Angelegenheiten zu rechnen, die den laufenden Schulbetrieb betreffen. Hier kann die Schule verbindliche Absprachen allein mit dem Elternteil treffen, bei dem sich das Kind regelmäßig aufhält. Hierzu gehört nach Auffassung des Verfassers auch das alleinige Recht dieses Elternteils, an Wahlen zu Elternvertretungen teilzunehmen und ggf. ein Mandat zu übernehmen.
Zum anderen nennt das Gesetz in § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB die „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“, in denen das Sorgerecht auch nach der Trennung nur von beiden Elternteilen gemeinsam wahrgenommen werden kann. Hierzu gehören alle die schulischen Angelegenheiten, in denen grundsätzliche Entscheidungen zu treffen sind, sowie alle sonstigen Bereiche existentieller Bedeutung. Für die Schule bedeutet dies, dass sie in diesen Konstellationen wie bei zusammenlebenden Eltern ebenfalls die Entscheidung beider Elternteile einholen und beiden die hierfür erforderlichen Informationen geben muss. Sofern im Einzelfall ein Einvernehmen der beiden Elternteile nicht erzielt werden kann, ist wiederum die Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB erforderlich.
In solchen Fällen ist der Schule zu raten, sich wie in „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ an den Elternteil zu wenden, bei dem sich das Kind regelmäßig aufhält. Dieser hat dann dafür zu sorgen, dass der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt. Hiermit korrespondiert im Übrigen das Recht desjenigen Elternteils nach § 1686 BGB, bei dem sich das Kind nicht regelmäßig aufhält, über alle wesentlichen Dinge Auskunft zu erhalten, sofern nicht gravierende Gründe des Kindeswohls gegen eine solche Auskunftserteilung sprechen. Für die Schule bedeutet dies jedoch nicht, dass sie insoweit dem Elternteil zur Auskunft verpflichtet ist, bei dem sich das Kind nicht regelmäßig aufhält, da diese Auskunftsverpflichtung nur zwischen den Elternteilen besteht.
Die Verpflichtung der Schule, die Informationen an die Eltern weiterzugeben, trifft neben dem für die Schule als Ganzes verantwortlichen Schulleiter vorrangig die jeweiligen Klassenlehrer, aber auch jeden Fachlehrer und damit auch die Referendare im Rahmen des von ihnen eigenverantwortlich erteilten Unterrichts.
Soweit die Rechtslage – doch welche Komplikationen kann es bei der Elternarbeit im Alltag geben? Im zweitenTeil Rechtliches zur Zusammenarbeit mit Eltern II besprechen wir Fallbeispiele zur Informationspflicht.
Tipp: Orientierung im Schulrecht
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Ein Überblick über die Rechtslage.